Thursday, March 31, 2011

Gedanken, Eindrücke, Gefühle zu Frankfurt am Main (noch im Bau)




Die Kaiserstraße mit Blick in östliche Richtung



Die Hochhäuser gab es natürlich in den sechziger Jahren noch nicht


In den anderen Kapiteln habe ich ja schon einiges über Frankfurt geschrieben. Nun las ich aber kürzlich wieder etwas über die Stadt und machte mir Gedanken darüber, warum ich Frankfurt in einer bestimmten Weise erlebte und wie sich diese änderte in den 25 Jahren, die ich dort verbrachte. Ich möchte mehr oder weniger chronologisch vorgehen, indem ich berichte, wie ich die Stadt zu Beginn und später sah und was ich an ihr mochte und was mich abschreckte. Mein erster Eindruck war geprägt von der Größe und Farbe der Häuser in der Bahnhofsgegend. Sie schienen damals überwältigend groß, grau, dabei aber protzig und klotzig, eben wie Gebäude der Gründerzeit und der Jahrhundertwende. Aber es gab auch genug moderne, unverzierte Nachkriegsbauten, die ich in ihrer ganzen Häßlichkeit überall in der Stadt fand.



Das alte Schauspielhaus






 

Die Gebäude links daneben wurden im Krieg zerstört





Am Theaterplatz stand noch das alte, nach dem Krieg reparierte Gebäude des Schaupielhauses, in das meine Mutter und ich noch für einige Jahre gingen, bis es bedauerlicherweise abgerissen wurde, um einem hochmodernen Bau mit Glasfassade, "Blechtrommeln" innen an der Decke als Verzierung des Foyers und Gemälden von Marc Chagall Platz zu machen. Obwohl ich das alte Theatergebäude mochte, gefiel mir dieses neue Gebäude mit seinem "verrückten" Foyer nach einer Weile. Es war "zeitgemäß" und kontrovers, das sagte mir zu. Natürlich regte man sich in der Stadt auf über diese "komischen Blechtrommeln", man bezog sich wohl damit auch auf das Buch von Günter Grass, aber da war auch eine Faszination an dem Neuen zu spüren.




Das neue Gebäude des Theaters, 1963 gebaut


Der Saal für die Opernaufführungen war noch der gleiche wie vorher, aber das Schauspielhaus war innen neu, ebeso die "Kammerspiele". In Richtung Hauptwache kam man dem Hotel "Frankfurter Hof" vorbei, zwischen dem pompösen "alten Kasten" und der Hauptwache gab es noch ein paar ältere Gebäude, aber in der Mehrzahl waren es Nachkriegsbauten.









Das Hotel Frankfurter Hof am Kaiserplatz



Damals stand noch ein Brunnen in der Mitte des Platzes, der versetzt wurde, damit Autos freie Bahn haben.

 
Da die Haupteinkaufsstraße "Zeil" und die unmittelbare Umgebung der Hauptwache nur aus den üblichen neueren Kaufhaus- und Bürogebäuden bestand, war auch da wenig Ahnsehnliches zu sehen.
 

Die Hauptwache mit Einblick in die Einkaufsstraße Zeil









An der Hauptwache 1959
Rechts im oberen Teil des Fotos sieht man noch eine Baulücke vom Krieg





Blick von der Hauptwache nach Süden, Siebziger Jahre




Inzwischen sieht die Hauptwache etwas anders aus

Blick zur Katharinenkirche und Zeil





Die Zeil von der Konstabler Wache aus gesehen, 1950

Das sah auch in den Sechziger Jahren nicht anders aus
Dieses Foto erinnert mich daran, dass meine Mutter und ich häufig auf der Zeil einkauften , vor allem Lebensmittel im Kaufhaus Herthie. Und dass wir das auch im Winter taten, wenn es um fünf Uhr schon dunkel war.

Wir waren sehr beeindruckt von dem vielfältigen Angebot bei Herthie. Wir konnten sogar Schweineschmalz und auch Gänsefett dort finden, etwas, das wir gerne im Winter in Eisenach gegessen hatten. Das gesamte Angebot an Obst und Gemüse, ebenso Fisch, Fleisch, Schinken und Käse, war sehr groß. Es gab alles in einem Laden, was neu für uns war. Damals gab es den Supermarkt in der Eisernen Hand in der Nähe von unserer Wohnung noch nicht. Wir genossen diese herrliche Lebensmittelabteilung also sehr.

Nun begebe ich mich erst einmal in die Weberstraße im Nordenend, wo wir Ende 1960 oder Anfang 1961 eine kleine Zweizimmerwohnung fanden. Auch dort waren die meisten Häuser vier- bis fünfstöckig und die Straßen für meine Begriffe schluchtenartig. Außerdem gab es kaum Bäume, vielleicht ein paar Büsche in den Vorgärten, aber generell war die Gegend damals etwas eintönig und grau, aber auch nahe zur Innenstadt.


In der Weberstraßse 1963




Die Weberstraße im Nordend

Das leicht rosa getönte Haus in der Mitte des Fotos, neben dem Giebelhaus ist die Nr. 5, in der wir im dritten Sockwerk wohnten




Dieses Foto der Weberstraße stammt aus dem Jahr 1989. Als wir dorthin zogen, sah alles wesentlich grauer aus, fast so grau wie Niederrad im Südwesten von Frankfurt.


 
Die Bruchfeldstraße in Niederrad
 
In einem der weißen Gebäude in der Mitte des Fotos wohnte eine damalige Schulfreundin. Die Wohnung war ungeheuer eng und winzig.
 
 




Meine Mutter und ich erkundeten nach und nach die Stadt, enweder schon von Niederrad aus, wo wir ja einige Monate bei einem Schulfreund meiner Eltern wohnten.

Und natürlich dann auch von der Weberstraße aus. Ich erinnere mich noch gut an einen Ausflug zum gotischen Dom in der Nähe vom Römer, dem Rathaus der Stadt. Ich lernte den Dom erst später richtig schätzen, er war erstmal einfach sehr groß, hatte aber auch eine schöne, rötliche Sandsteinfarbe. Wir stiegen hinauf in den Turm, wobei mir leicht schwindlig wurde.

Man konnte durch die filigrane gotische Architektur nach unten sehen und das war für mich unangenehm. Im Inneren des Domes gab es einige wunderschöne gotische Schnitzereien, aber auch das bemerkte ich erst später.




Der gotische Dom mit dem alten Saalhofgebäude im Vordergrund


Der Henninger Turm in Sachsenhausen







Meine Mutter bei einem Ausflug zu Henninger Turm, 1963

Der Henniger Turm in Sachsenhausen war wohl noch etwas aufregender für mich, da man einen tollen Blick auf die Stadt und die Umgebung hatte und ich hatte dort keine Schwindelgefühle, da die Aussichtsplattform hoch genug eingezäunt war. Es roch ein bißchen nach der Brauerei, zu der der Turm gehörte. Der Turm war ein Silo für Gerste für das Frankfurter Henniger Bier, das ich später auch ab und zu trank.

In Sachsenhausen wohnte auch eine alte Jugendfreundin Freundin meiner Mutter mit ihrer Familie. Sie waren schon eher als wir aus Leipzig in den Westen geflohen. Sie wohnten in einem "Eigenheim", was natürlich was besonderes war, obwohl keine architektonische Besonderheit, aber es hatte einen Garten. Der Sohn, Klaus, der Familie H. war etwas jünger als ich und ein "Rauhbein". Wir tauschten damals Briefmarken, wobei er mich wohl immer wieder "betrog", wie ich fand. Sein Vater kam auch einmal heim von der Arbeit und fragte ihn, ob er mich wieder getäuscht hätte oder so was ähnliches. Ich fand das natürlich schrecklich abstoßend und "typisch westlich". Es schien immer darum zu gehen, andere zu übervorteilen oder sie herunterzuputzen.

(Komischerweise wohnt dieser Klaus H. seit einigen Jahren auch in Oregon, in der Nähe von Corbet, östlich von Portkand und betreibt eine Weihnachtsbaumfarm. Er war wohl lange in Kalifornien in der Musikszene und als Gitarrenstimmer für berühmte Musiker oder Sänger tätig gewesen, wie er mir sagte. Jedoch waren die Grundstückspreise dort aber so gestiegen, dass er und seine Frau nach Oregon zogen. Ich habe einmal mit ihm telefoniert, da mir sein Name bei irgendeiner Einladung zu einer Party bekannt vorkam und ich ihn einfach anrief, um herauszufinden, ob er wirklich der war, den ich vermutete. Bei dem Gespräch stellte sich schnell heraus, dass er immer noch der "alte", angeberische Klaus war. Ich erinnerte ihn an die Briefmarkentauschaktionen und seine Machenschaften, das konnte ich mir nicht verbeißen. Er gab zu, dass er ein "schlimmer Kerl" als Kind gewesen war. Ich sah ihn dann auf dieser Party, allerdings nur von weitem, wir sprachen nicht miteinander, wie das ja so häufig zwischen Deutschen passiert, die sich nicht so ganz grün sind. Er ignorierte mich und ich ihn auch.

Hinterher fand ich das recht albern und bereute es etwas, aber ich erinnerte mich auch an seinen Ton am Telefon und mir verging das Interesse, mit ihm zu sprechen. Er hatte die feinen Gesichtszüge seiner hübschen Mutter, aber sein Verhalten war wohl eher von seinem unsympathischen Vater geprägt. Trotz allem hatten wir ja einiges gemeinsam, denn seine Familie kam auch aus der DDR, allerdings gingen sie schon sehr früh in den Westen, soweit ich weiß. Meine Mutter war mit seiner Mutter in ihrer Jugend gut befreundet gewesen und sie hatten wohl auch später Briefkontakt. Woher sie sich kannten, weiss ich allerdings nicht. Aber sie waren zusammen an der Ostsee, es gibt auch Fotos von beiden zusammen. Aber so geht es manchmal, alte negative Erfahrungen mit einer Person prägen den späteren Umgang mit ihr und lassen sich nicht ohne weiteres vergessen. )

Meine Mutter entdeckte dann den Stadtwald südlich von Sachsenhausen. Man konnte mit der Straßenbahn hinfahren. Allerdings war der Wald für meine Begriffe langweilig, weil flach und ohne Hügel mit Ausblicken und sehr geraden, breiten Wegen. Der Wald war genau das Gegenteil vom Thüringer Wald und begeisterte mich daher überhaupt nicht. Aber es gab einen Aussichtsturm, den 43 Meter hohen, hölzernen Goethe Turm, den wir erkletterten und da hatten wir endlich einen hübschen Ausblick.


Der Goethe Turm 
 
Das war schon immer wichtig für mich und auch für meine Mutter. Wir waren durch die Wartburg und andere Aussichtspunkte in der Umgebung von Eisenach so daran gewöhnt, dass sie mir natürlich im flachen Stadtwald fehlten.

Die Parks in Frankfurt sind eigentlich schön, aber damals, in den frühen Sechziger Jahren, konnte ich das nicht recht sehen. Ich war einfach heimwehkrank und ein Gang durch den sehr schön angelegten, großen Grüneburgpark rief bei mir nur Langeweile hervor. Es war alles künstlich, hatte nichts wildes wie ein natürlicher Wald an sich. Später, als ich in Bockenheim wohnte, frequentierte ich den Park sehr oft. Auch schon zur Zeit meiner Freundschaft mit den Amerikanern entdeckte ich diesen Park erst richtig. Wir wurden damals noch öfters von Parkwächtern oder Polizisten vom Gras heruntergescheucht. Es gab Schilder mit der typischen Warnung "Betreten des Rasens verboten", aber irgendwann gab die Stadt auf, weil sich viele Leute einfach nicht daran hielten. Nun konnte man den Rasen als Spiel- und Liegewiese benutzen, was sehr zur Atraktivität des Parks beitrug.


Die Oase des Botanische Gartens beim Grüneburgpark



Neben dem Park gab es den Botanischen Garten, der zum Botanischen Institut gehörte, aber auch öffentlich zugänglich war. Meine Eltern gingen in späteren Jahren oft dorthin. Ich hatte den Garten schon 1968 mit meinem Freund Dave entdeckt. Dort wuchsen Pflanzen aus aller Welt und u.a. auch Hanfpflanzen. Daher wußte Dave wohl von diesem Garten. Es war sehr entspannend, dort auf einer Bank zu sitzen oder über die Wege zu den verschiedenen botanischen Bereichen zu schlendern oder im Frühling die blühenden Azalien Sträucher und sonstige fremdartige Pflanzen zu bewundern.

Ich habe das während meines Studiums oft gemacht, da ich Seminare in der Feldbergstraße im Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung hatte, was nicht weit war vom Park und Garten.

Der Holzhausenpark mit seinem "Wasserschloß" war zwar klein, aber nicht so weit und ganz hübsch. Der kleine Bethmann Park, noch näher zur Weberstraße, hatte Blumenbeete und viele Bänke, die von alten Leuten besetzt waren. Das wäre jetzt eher was für mich, als es das damals war.

Die Wallanlagen um die Innenstadt herum waren auch eine erfreuliche "grüne Lunge" fuer die Stadt. In unsere Nähe gab es eine kleine Anlage für Rollschuhläufer, die ich für eine Weile benutzte. Leider fiel ich aber hin und brach mir das linke Handgelenk und irgendwann stürzte ich auch sehr schmerzhaft auf"s Steißbein. Das machte mir Jahre lang zu schaffen. Wenn ich vom Mittagessen mit meiner Mutter im Arbeitsamt nach Hause ging, benutzte ich den Weg durch die südöstlich gelegenen Anlagen des öfteren.

Den Palmengarten im Westend besuchten wir auch ab und zu. Dort gab es, neben exotischen Gewächshäusern, den teuersten Tennisclub in Frankfurt, um den ich lieber einen Bogen machte, weil ich etwas neidisch war oder unglücklich, nicht mehr zu der schönen Tennisanlage in Eisenach gehen zu können.

Eine Zeitlang fuhr ich hin und wieder mit der Straßenbahn nach Seckbach, einem der zu Frankfurt gehörigen alten Dörfer am Nordostrand der Stadt, wo eine meiner Mutter bekannte Frau mit ihren zwei Töchtern wohnte. Wir spielten dort im Freien oder im Hutpark, der in der Nähe war. Aber es war recht weit für mich und die Mädchen waren älter als ich oder wir verstanden uns nicht so gut. Irgendwann fanden meine Mutter und ich auch den Lohrberg, ebenso in der Nähe von Seckbach, wo es sogar ein paar kleine Weinberge gab und Obstbäume aus früheren Zeiten, als das noch Bauernland war. Man hatte einen recht schönen Blick in die Mainebene und zu Stadt hin, die weit weg zu sein schien. Diese Gegend habe ich auch während meiner Zeit in der Buchhändlerschule im Herbst 1967 durchstreift. Nach und nach also gewöhnte ich mich an diese eher "künstliche" Natur und ich war froh, dass es sie überhaupt gab.

Der Feldberg im Taunus
 
 
 
Wir fuhren aber auch in den Taunus nordwestlich von der Stadt. Eine lange Straßenbahnfahrt brachte uns zur "Hohemark", einem Ort oder nur ein paar Häusern am südlichen Rande des Waldes, von wo aus Wanderer ihre Wege wählten, die zum "Sandplacken" oder dem Feldberg mit seinen 880 Metern Höhe führten. Wie das so üblich ist in Europa, gab es natürlich Gasthäuser an verschiedenen Orten, vor allem am Sandplacken, einer Wegkreuzung, und auch auf dem Feldberg, wo man seinen Kuchen und Getränke oder Suppen und Frankfurter Würstchen bekam. Diese Kneipen waren an Wochenenden immer voll und rauchig, aber z.B. im Winter auch ein willkommener Ort für Wärme und Essen. Wir mußten unsere Verpflegung nicht mitnehmen, wie das hier in den USA meistens der Fall ist. Ich erinnere mich noch an kalte Wintertage auf Skiern in der Nähe von Oberreifenberg, wo wir dann auch eine Kneipe fanden und uns stärken und aufwärmen konnten.

Wie man sieht, waren mir die weniger städtisch aussehenden Orte in Frankfurt und um die Stadt herum lieber als die Stadt selbst. Erst später in meinen Zwanzigern lernte ich die Stadt in ihrer Vielfalt und deren kulturelle Angebote mehr schätzen.

Aber ein paar Orte wie z.B. das Philantropin, eine ehemalige Schule für jüdische Kinder, später Sitz der Jüdischen Gemeinde ( http://de.wikipedia.org/wiki/Philanthropin_(Frankfurt_am_Main) in der Hebelstraße ganz in der Nähe von unserer Wohnung waren wichtig für mich. In dem Gebäude gab es damals in den frühen Sechziger Jahren ein Kino.


Das jetzt neu renovierte Gebäude des Philantropins im Nordend


In dem häßlichen Bürogebäude am Ende der Straße wurde übrigens für viele Jahre die satirische Zeitschrift "Pardon" gemacht, die ich auch eine Zeitlang gerne las.

Ich war regelmäßige Besucherin dieses Kinos und sah zahlreiche amerikanische "Western" und auch kitschige bundesrepublikanische Filme mit Lieselotte Pulver´oder ab und zu Krimis mit meinen Eltern. Die "Western" Filme vermittelten mir einen ersten Eindruck von der großen Schönheit der amerikanischen Wüstenlandschaft in Arizona und Utah. Ich erkannte diese Filmlandschaften später wieder bei unseren Reisen zum Grand Canyon und zu den Nationalparks in Utah.
 

Das Städel am Main






Meine Mutter und ich gingen auch ins Städelsche Kunstinstitut, das große Kunstmuseum auf der Sachsenhäuser Seite des Mains. Das war etwas ganz Neues fuer mich, schon allein die Größe des Gebäudes war überwältigend. Es dauerte einige Zeit, bis ich meine Lieblingsmaler fand und immer wieder zu diesen zurückkehrte. Ich entdeckte dort nach und nach neben den vielen alten Künstlern die Impressionisten, Expressionisten, Picasso, Max Ernst, auch Paul Klee, die mir sehr gefielen.

Im Steinernen Haus am Römer gab es regelmäßig sehr gute Ausstellungen von modernen Künstlern, die ich mir alle anschaute. Dieser relativ kleine Austellungsraum war eigentlich mein Lieblingsort für neue Kunst. Ich konnte mich dort in aller Ruhe mit den Gemälden beschäftigen, im Katalog nachlesen und lernte auf diese Weise viel über neue Kunstströmungen. Es war nie so voll wie das Städel Museum und leicht zu erreichen.



Copyright Gisela Förstermann 2014