Wednesday, February 20, 2008

Die Goethe Schule

Der große Tag: Die Einschulung in die Goethe Schule, 3. September 1954
mit Oma und Opa Förstermann und Mutti auf dem Schulhof


Da man als Kind ja immer lieber älter als jünger sein möchte, hoffte ich auf den Schulanfang als einen wichtigen Schritt in diese Richtung.

Im September 1954 kam ich also in die Schule. Ich hatte ein Jahr früher einen Test machen müssen, um festzustellen, ob ich "schulreif" sei mit fast 6. Da mein Geburtstag Anfang Oktober ist, die Schule aber schon im September anfing, wäre ich erst 5 Jahre und 11 Monate gewesen, zu jung nach dem Befinden der Schulbehörde. Also kam ich erst mit fast sieben in die Schule. Sehr spät für meine Begriffe, ich war schon wesentlich eher bereit dafür.

Ich bin nie in den Kindergarten gegangen, den es im Philosophenweg gab. Er lag tiefer als die enge Straße und man konnte in die Räume sehen, wo die Kinder an Tischen saßen. Mir schien das sehr langweilig und einschränkend zu sein. Meine Eltern sahen das vielleicht auch so und waren sicher eher froh, mich auf dem Spielplatz vor dem Haus herumtoben zu sehen. Aber wer weiß, was mir dadurch entgangen ist....?

Da ich also im Herbst 1953 noch nicht in die Schule kam, spielte ich ausgiebig Schule mit Regina S., wie schon beschrieben. Mein Vater hatte mir eine Art Schultasche gebastelt und ich machte mir kleine Hefte mit Hilfe von Papier, Nadel und Faden, in die ich die wenigen Buchstaben schrieb, die ich kannte.

Die Zuckertüte zum Schulanfang war als Anreiz und Versüßen des Schrittes in diese neue Welt gedacht und bei mir "einzelkindgross", außerdem hatten mir die Großeltern Förstermann noch eine kleinere Tüte geschenkt. Es war ein richtiges Fest und ein großes Ereignis für alle.

Ob wir Kinder am gleichen Tag in den Klassenraum gingen, weiß ich nicht mehr, das kann auch ein Tag später gewesen sein. Jedenfalls erinnere ich mich sehr gut an den Schulgeruch, eine Mischung aus Kreide, Staub, Scheuermittel und Toilettengeruch, etwas einschüchternd und sehr fremdartig, aber auch hochinteressant.

Ich weiß auch noch, dass ich meine rote Strickmütze auf dem Weg über die Innentreppen der Schule zum Klassenzimmer verlor. (Ich verliere Mützen immer noch und immer wieder, eine alte Tradition, die nicht tot zu kriegen ist.)

Aber wir hatten ältere Schüler bei uns, die uns halfen, zurechtzukommen. Ich glaube, ich weinte wegen der Mütze und ein freundliches Mädchen aus einer höheren Klasse fand sie wieder und begleitete mich zum Klassenraum.

Unsere Lehrerin war die sehr nette, ältere Frau Brenk, die uns durch das erste Jahr führte. Leider ging sie in Rente und wir mußten uns umstellen auf eine neue Lehrerin, Fräulein Klemm, die wesentlich jünger, hübscher und auch nett war.


Mein siebter Geburtstag mit Doris Garich, Ingrid und Lolli Dunkel (gingen 1954 oder '55 in den Westen) ich, Mitschüler Manfred, der mich offensichtlich mochte, Jochen Gier, Gisela und Ursel Tschechowski ('55 in den Westen) und den schönen, alten Kasperpuppen meiner Mutter





Vor der Haustür auf dem Weg zur Schule, mit Ranzen und Wischtüchlein für die Schiefertafel




Die Klasse war recht groß, 31 Kinder, die jeweils zu zweit auf einer Schulbank saßen. Aber damals waren wir ja noch viel schüchterner als die Kinder heute in dem Alter und wir hörten auf die Lehrerin.


Hier die Klasse 1c im Sommer 1954. Frau Brenk ging danach in Rente.



Die Namen der Mitschüler, die mir Karin Husemeyer-Roehler gab, da ich mich nicht mehr an alle erinnern konnte:

Anfang in oberer Reihe von links: Jürgen Bauer, Jutta Harms, Bernd Didjurgis, Ellen Bossac, unbekannt, Karin Husemeyer, Peter Wenzel, Margit Hirschnitz, Klaus Leidner, ich (1960 in den Westen), unbekannt

Mittlere Reihe: Rainer Apell (ging schon nach der 1. Klasse in den Westen), Reinhard Herb, Karl Pascher, Gerlinde Minge, unbekannt, Karl Hubrich (Karlchen genannt, behindert durch Schwerhörigkeit und sehr lieb), Manfred Voigt, Manfred (vom Geburtstagsbild, ging auch in den Westen, glaube ich), Brigitte Seidel, Karin Göllner oder Göller(?)

Untere Reihe: Jutta Meißner (1961, eine Woche vor dem Mauerbau in den Westen), Dietlinde Ewert, Ute Schindler (1959 in den Westen), Dieter Neumann, Christa Nowack, unbekannt (möglicherweise auch in den Westen), Monika Kurcay, unbekannt, unbekannt, Doris Günzel



In der vierten Klasse, mit Fräulein Klemm, und Wilhelm Pieck an der Wand, dem ersten Präsidenten der DDR, , 1958




Ich kann mich besonders gut ans Schreibenlernen erinnern. Wir benutzten Schiefertafeln und Griffel, eine Art Stift speziell für Schiefertafeln, und das schon erwänte Wischtuch, das an der Tafel angebunden war. Die Tafel hatte zwei Seiten, eine hatte Linien für die Buchstaben, so dass wir große und kleine Buchstaben in der richtigen Größe schreiben konnten. Die andere Seite war leer und wunderbar für's Malen mit bunten Griffeln geeignet. Es kann sein, dass wir später eine Tafel hatten, deren eine Seite auch "karriert" war, so dass wir auf ihr Zahlen schreiben konnten.

Zuerst lernten wir Druckbuchstaben, große und kleine, dann Worte, die aus einer Fibel, einem Lesebuch für Schulanfänger, kamen. Vielleicht in der zweiten Klasse oder am Ende der ersten kam die Schreibschrift dran, die wesentlich schwerer war, aber auch schöner aussah.

Die Fibel, wie überhaupt alle Schulbücher stellte die Schule, d.h. der Staat und wir mußten sie nach dem jeweiligen Schuljahr wieder zurückgeben, da die nächsten Klassen sie benutzen würden
Ich erinnere mich an eine Woche in der ersten oder zweiten Klasse, in der ich krank zu Hause im Bett war und eine Schulkameradin die Hausaufgaben vorbeibrachte, so dass ich nichts versäumte. Ich wollte das auf keinen Fall und übte im Bett das kleine t in Schreibschrift. Es war recht verschnörkelt und ich füllte die Tafel mit meinen "Tes".
Irgendwann, möglicherweise in der zweiten oder dritten Klasse lernten wir, mit Federhalter und Tinte in Hefte zu schreiben. Die Tinte war in einem kleinen Tintenfaß, das in der Schulbank in einer Vertiefung stand. Jeder hatte wohlgemerkt seine eigene Tinte.

Der oft farbenfrohe Federhalter hatte eine einsetzbare Feder aus Stahl, die man auswechseln konnte. Später hatten wir dann auch Füllfederhalter, die man aus dem Tintenfäßchen füllte, natürlich mit viel Gekleckse und blauen Fingern. Erst später im Westen hatte ich Füllfederhalter mit Patronen, die man kaufen konnte.

Ich liebte mein Federkästchen aus Holz, mit einer Art Schieber zum Öffnen und Schließen versehen, in das der Griffel, Bleistift, Bleistiftspitzer, Radiergummi und Federhalter und die Federn paßten. Manche dieser ca 20 cm langen Kästchen waren auch bemalt und sehr hübsch.

Das ist übrigens eines der Dinge aus meiner Kindheit, das ich gerne gerettet hätte, als wir aus Eisenach weg gingen.

Wir Schüler gingen alle gerne in den Schreibwarenladen am Markt, wo wir
unsere Materialien für die Schule kauften. Es war alles neu für mich und roch anders als alles vorherige. Ich hatte zwar bei meinem Opa im Büro auch oft genug in seinen Regalen herumgeschnüffelt, auch mal in die uralte schwarze Schreibmaschine eine Seite einspannen dürfen und ein bißchen die Tastatur ausprobiert. Die Schulmaterialien aber waren bunter und nun auch für mich bestimmt. Ich lernte, damit umzugehen und es machte mir Spaß.

An andere Fächer in der ersten Klasse kann ich mich kaum erinnern. Sicher malten wir auch, lernten erste Zahlen und vielleicht Lieder. In den Pausen rannten wir auf dem unteren Schulhof herum, wo die jüngeren Schüler waren. Die älteren waren auf dem oberen Schulhof hinter der Schule.


Die Goetheschule von der Domstrasse aus gesehen, 1980 aufgenommen, als ich kurz Eisenach besuchte. Ich war mit einer Reisegruppe nach Dresden gefahren, dann nach Erfurt und machte alleine einen "Abstecher" nach E.




Ich glaube mich daran zu erinnern, dass wir den Klassenraum nur in Zweierreihen sehr diszipliniert verlassen konnten, um in die Pausen zu gehen, oder wenn der Schultag zu Ende war. Ebenso mußte sich die ganze Klasse auch in solcher Zweierreihe draußen vor der Tür anstellen, wenn uns die Schulklingel rief. Erst, wenn alle Schüler da waren, konnten wir wieder hineingehen. Ich denke, dass wir jeweils von unseren Lehrern an der Schultür abgeholt wurden. Die Klassen waren groß, die Lehrer hätten sonst den Überblick verloren und die kleineren Schüler sicher auch.

In der zweiten oder dritten Klasse bekamen wir die schon erwähnte neue Lehrerin, Fräulein Klemm.
Ich erinnere mich an wenig Einzelheiten des Unterrichts, nur dass es mir Spaß machte.
An einen dramatischen Morgen in der Zeit allerdings erinnere ich mich noch ziemlich deutlich. Wir hatten mehrere neue Schüler, alles Jungen und Waisenkinder, die größere Schwierigkeiten bereiteten. Frl. Klemm kam mit ihnen nicht gut zurecht und einer der Jungen warf seine Schultasche in ihre Richtung. So etwas hatten wir noch nicht erlebt. Unsere arme Lehrerin weinte und holte dann wohl auch den Rektor. Die Jungen verschwanden wieder, da sie offensichtlich zu viele Probleme hatten und in "normalen", für sie viel zu großen Klassen nicht genug Hilfe bekamen. Sie müssen Kriegswaisen gewesen sein, waren in einem großen alten Gebäude am Eingang des Reuterwegs, Ecke Marienstraße untergebracht, hatten aber anscheinend keine Lehrer dort.
Wir waren erleichtert, als dieser Spuk vorbei war, aber dennoch dachte ich öfter an diese Jungen, die es sicher nicht leicht gehabt haben in ihrem Leben.

In der dritten Klasse verließen einige Schüler unsere Klasse, um auf eine andere Schule zu gehen, wie ich erst jetzt von Karin H.-R. erfuhr. Ich hatte das völlig vergessen und konnte es mir nicht erklären.
Sie fingen dort mit Russisch Unterricht an, den wir erst in der 5. Klasse begannen. Mir tat es leid, einige dieser Mitschüler zu verlieren, u.a. auch Dietlinde Ewert, die in der Marienstraße wohnte und mit der ich ein bißchen befreundet war. Sie kam einmal zu meinem Geburtstag 1956, im nächsten Schuljahr war sie nicht mehr auf der Goethe Schule.

Ich kann mich nicht mehr genau an die zeitliche Abfolge erinnern, aber irgendwann in den späteren Fünfzigern wurde auch ich Mitglied der Jungen Pioniere, der Kinder-Organisation der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands). Vermutlich war es also 1958. Es gab immer noch einige in der Klasse, die nicht beigetreten waren, meistens die eher "bürgerlichen" Kinder, deren Eltern für das DDR System nicht viel übrig hatten.
Ich war sehr daran interessiert, endlich auch das blaue Halstuch zu tragen und das Abzeichen der Jungen Pioniere an der weißen Bluse zu haben. Es war eine Sache des "Dazugehörens", die politischen Hintergründe der Organisation waren mir nicht klar. Allerdings wurde mir doch etwas beklommen zumute, als wir bei der Aufnahmezeremonie in der Aula auf die DDR Fahne schwören mußten. Ich fühlte mich wohl etwas unwohl dabei, wie dem System "einverleibt". Gleichzeitig hatte ich aber auch Spaß an Aktivitäten wie Altpapiersammeln, "Nachhilfe" für schwächere Schüler geben, im Chor Volkslieder singen (was ich auch schon vorher tat) etc. Es schien alles relativ "unpolitisch" zu sein. Allerdings war der montagliche Fahnenapell schon eher dazu geeignet, sich als guter Pionier hervorzutun.


Ich erinnere mich nur daran, dass ich eine Zeitlang jeden Montag morgen den Fahnenapell "abnahm", also in weißer Bluse, blauem Halstuch und dunklem Rock vor meiner versammelten Klasse auf dem Hof stand, wo alle Klassen im Kreis standen und ich hatte meine rechte Hand auf dem Kopf und rief: "Für Frieden und Völkerfreundschaft - Seid bereit!" Die Antwort kam zurück von der Klasse: "Immer bereit!" Das ging reihum, jede Klasse kam "dran" und dann sagte vermutlich der Schulleiter oder die Schulleiterin etwas, woran ich mich natürlich nicht mehr erinnern kann.
Bei diesen Fahnenapellen machten wir aber auch "Quatsch", kicherten, zogen Kindern vor uns an den Halstüchern und manchmal wurde es einem Schüler oder einer Schülerin auch übel oder jemand fiel in Ohnmacht. Kein Wunder, es dauerte ewig für unser kindliches Zeitgefühl.


Copyright: Gisela Foerstermann 2008




































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